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Die neue Moto Guzzi Eldorado haben wir Anfang März erstmals auf der Messe in Dortmund gesehen. So, wie sie dort in Szene gesetzt wurde, mußte man sich gleich in sie verlieben.
Jedenfalls galt das für uns. Zurück von der Messe wandten wir uns montags dann gleich an den Guzzi-Händler unseres Vertrauens - doch da mußten wir erstmal einen Dämpfer hinnehmen: "Keine Ahnung, wann die kommt. Das kann noch dauern. Is' halt ne' Italienerin..."
Was lange währt, wurde dann endlich gut: Nach rund drei Monaten meldete sich Moto Guzzi bei uns und bot uns dann gleich zwei Eldorado zum Testen an. Eine hätten wir in Laer bei Münster abholen können, die andere - besser ging's nicht - just in Köln.
Auf den ersten Blick attestieren wir, dass den Italienern die Verschmelzung von Klassik & Moderne gut gelungen ist. Die aktuelle Eldorado ist eine schöne Hommage an die legendäre GT 850, die in den späten Sechzigern in den USA unheimlich populär war. Hinter der Retro-Optik verbirgt sich natürlich aktuelle Technik: Drei verschiedene Fahrmodi, Traktionskontrolle, ABS, Tempomat, drive by wire, LED-Lichter und vieles mehr.
Allerdings muss man fairerweise sagen, dass die Eldorado so neu nun auch wieder nicht ist: Sie ist sozusagen eine jüngere Halbschwester der bereits auf dem Markt befindlichen California, denn Motor und Fahrwerk sind identisch, also auch schon ausgereift.
Geblieben ist - zum Glück - das klassische "Schütteln", wenn man das Mammut (ca. 320 kg Leergewicht) zum Leben erweckt. Das will man einfach bei 'ner Guzzi haben.
Eines ist den Machern gut gelungen: Der Sound, den die Eldorado von sich gibt. Hören sich neueste Motorräder "dank" der immer strenger werdenden Immissionsvorgaben nahezu gleich an, schafft es die Guzzi, einen charakteristischen Sound zu produzieren, der sich nicht so anhört, als würde man eine handvoll verrosteter Schrauben in einen Blecheimer werfen. Man muss also nicht gleich zwangsläufig schon bei der Bestellung in die Aufpreisliste schauen und nochmal zwei Mille für eine Auspuffanlage auf den Tresen legen.
Zwei Minuspunkte - auch hier völlig subjektiv - gibt es von uns: Das ist zum einen die Form des Frontscheinwerfers, der unserer Meinung nach zu modern gestaltet ist und zum anderen finden wir es schade, dass die Fender vorne und hinten nur aus Kunststoff bestehen. Wertigkeit bzw. Hochwertigkeit ist da was anderes.
Fahren läßt sich die Eldorado trotz ihres beeindruckenden Leergewichtes von satt über dreihundert Kilo super. Sie ist ausgesprochen agil und kurvengeil.
Dank des beeindruckenden Drehmomentes von 120 Nm bei noch nichtmal 3000 Umdrehungen läßt sie sich auch schaltfaul bewegen, Schub gibts immer. Die knapp 100 PS sorgen für ziemlich imposante Antritte, wenns drauf ankommt. Die Eldorado geht dann ab wie Schmitz' Katze. Sollte es nötig sein, beendet das Zweikreis-ABS mit den drei Bremsscheiben solche Aktionen dann genauso vehement und sicher.
Zugegeben, solche Aktionen macht man mit einer zwanzig Jahre alten Royal Star nicht. Eine Royal Star, die ja eher ein barockes Bremssystem à la "Anker werfen" hat, muss noch vorausschauender gefahren werden. Bei der Royal Star tritt und greift man beherzt in die Bremse und das Mopped überlegt erstmal: "Was will der Kerl da oben jetzt damit sagen..." Da sieht bzw. fühlt man dann schon, wie sich die Technik weiter entwickelt hat.
Auch das Fahrwerk der Eldorado verdient ein Lob, Fahrbahnunebenheiten - und davon haben wir hier in und um Köln mittlerweile mehr als genug - werden von den Federelementen sauber eliminiert.
Mit der Schaltwippe läßt sich die Eldorado sehr leicht und sehr bequem schalten, die Kupplung läßt stets butterweiche Gangwechsel zu. Für mich (Größe ca. 183 cm) stimmte der Kniewinkel und die Lenkerposition auf Anhieb. Die Sitzhöhe beträgt 740 mm und ist damit für einen Cruiser tief genug.
Die ganzen elektronischen Spielereien wie die verschiedenen Fahr-Modi, an- und abschaltbarer Traktionskontrolle etc. (für mich persönlich ein bißchen zuviel des Guten) werden über einen Schalter links am Lenker bedient. Die dazugehörigen Informationen tauchen im Display des Rundtachos auf. Wobei der Tacho nicht rund ist, sondern nur das Gehäuse. Im runden Teil befindet sich der Drehzahlmesser (braucht ein Cruiser eigentlich nicht), alle anderen Infos werden in der Mitte digital angezeigt.
Was die Ausstattung betrifft, finde ich auf den ersten Blick nix, was man der Eldorado hinzuspendieren müßte. Sie ist, so wie sie serienmäßig daherkommt, echt stimmig.
Sie sei so aber nicht ganz tourentauglich, wie Helene meint. Madame fehlen "irgendwie" ne' Scheibe, eine Sissybar und, für Frauen natürlich obligatorisch, die notwendigen Koffer; letztere selbst für eine Mini-Tagestour zur nächstgelegenen Eisdiele am Rhein. Eine Eldorado mit Scheibe, Koffer & Sissybar gibts bei Guzzi auch - sie heißt dann California...:-). Der preisliche Unterschied zwischen beiden beträgt rund 2.000 Euro.
Auch wenn's so ist, ich persönlich würde mir allerdings auch eher die Eldorado mit den zusätzlichen Tourenausstattungen der California kaufen an statt gleich eine California. Die Eldorado sieht einfach besser aus - ob das nur an den verchromten Tankseitenteilen liegt? Keine Ahnung.
Keine Ahnung, ob man eine Harley Davidson Heritage Softail und eine Moto Guzzi Eldorado objektiv miteinander vergleichen kann. Wie wir aber schon öfter betont haben, gilt auch hier: Objektivität interessiert uns eher nicht, wichtig ist für uns nur der eigene Eindruck.
Mit beiden Moppeds haben wir deutlich längere Touren gemacht als nur ne' Proberunde um den Block. Beide konnten uns, was die Fahreigenschaften betrifft, völlig überzeugen.
Eine Guzzi oder Harley kauft man sich bzw. wir uns wegen der Historie (ok, bei HD heißt das dann Mythos). Alte Moppeds neu verpackt. Wäre einem der historische Werdegang eines Typs völlig egal, könnte man auch eine preiswertere Japanerin kaufen; die haben zwar keine allzu lange Geschichte vorzuweisen, bauen aber auch technisch "state of the art" - und das manchmal besser bzw. werthaltiger als die vermeintlichen Platzhirsche.
Die History, also den Mythos, läßt sich Harley deutlich teurer vergüten; die Softail ist rund sieben Mille teurer als die Eldorado (ähnliche Voll- bzw. Zusatzausstattung vorausgesetzt), hat dafür aber unbestritten den höheren Wiederverkaufswert. Siebentausend Euro Unterschied bei der Anschaffung sind aber zumindest für uns ein schwergewichtiges Argument.
Last but not least muß man die Qualität und die Preise bei den Werkstätten berücksichtigen. Ok, Harley in Hamminkeln ("Thunderbike") ist ein grell leuchtender Stern am Himmel, ist aber mit Sicherheit eine Ausnahme weit und breit. Ähnlich, wenn auch deutlich kleiner und überschaubarer, läuft es aber auch bei Motorrad LuSt in Köln: Die leben italienische Motorräder.
Veni, vidi, vici - Eldorado. Knapper kann man unser Fazit nicht ausdrücken...