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Der letzte Samstag im August war für eine Motorradtour in die französische Metropole an der Seine reserviert. Da es aber nur eine Tagestour werden sollte, war frühes Aufstehen angesagt. Von Köln nach Paris sind es ja mal eben knappe fünfhundert Kilometer. Geplante Abfahrtszeit war daher vier Uhr morgens. Ein Blick aus dem Fenster machte den Frühstart aber zunichte: Es goß nach wie vor wie aus Kübeln.
Wir wurden inzwischen richtig sauer - nicht nur, dass wir offenbar sinnlos in aller Herrgottsfrühe aufgestanden waren, nein, wir standen kurz davor, diese beeindruckende Tour nun zum dritten mal absagen zu müssen.
Helene war es, die dann anderthalb Stunden später und bei unveränderter Wetterlage die Entscheidung traf: "Wir sind keine Weicheier, also fahren wir..."
So sind wir dann um 05.30 Uhr auf der Autobahn in Richtung Belgien und Frankreich "geschwommen". Unsere Büse-Textiljacken, kürzlich erst neu imprägniert, blieben zum Glück wasserdicht. Wir können uns nämlich partout nicht mit dem Gedanken anfreunden, uns in eine zusätzliche Regenkombi zu quälen und am Ende so bemitleidenswert auszusehen wie Michelinmännchen oder Teletubbies auf Motorradtour.
Jedenfalls hofften wir auf den Wetterbericht, der uns mit der Vorhersage lockte, dass aus Richtung Westen zumindest keine neuen Wolkenbrüche mehr zu erwarten waren. Bis zum Grenzübergang hinter Aachen war jedoch dauerhaftes "Land unter" angesagt.
Fährt man mal nur über die Autobahn zu einem Zielort, gibt es darüber gewöhnlich nicht viel zu berichten - so auch hier. Wir tuckerten mit knapp neunzig Sachen immer schön im Windschatten großer LKW ewig lange schnur geradeaus. Die Gültigkeit des Spruches "Der Weg ist das Ziel" war bei dieser Motorradtour ausnahmsweise mal aufgehoben.
In Belgien klarte aber wenigstens der Himmel auf und die Sonne ließ sich blicken. Unsere Laune besserte sich zusehends. Bei Tempo 120, mehr läßt König Albert II. dort nicht zu, cruisten wir langsam und stetig gen Westen und überquerten schließlich kurz hinter Mons die Grenze nach Frankreich.
Im Heimatland von Asterix & Co sind viele Autobahnabschnitte mautpflichtig - natürlich auch die Strecke von und nach Paris. Wir bezahlten für den Abschnitt von Cambrai bis kurz vor Paris 7,70 Euro. Dafür, dass die Fahrbahnen dort nahezu in tadellosem Zustand sind, fanden wir den Preis angemessen. In Frankreich darf man auf der Autobahn 130 km/h fahren (bei Regen nur 110). Unterwegs sahen wir kaum Motorräder, nur einmal sahen wir eine alte Harley - trostlos auf'm Hänger verpackt. Ja, so kann man auch Motorradfahren...
Das einzig bemerkenswerte Erlebnis während der langen Anfahrt hatten wir am bzw. unter'm Flughafen Charles de Gaulle: Dort verlaufen die Start- und Landebahnen genau über der Autobahn und, just als wir dort ankamen, überquerte über uns ein Airbus mit lautem Getöse die Brücke.
Kurz nach neun Uhr erreichten wir die Périphérique - die Stadtautobahn rund um Paris. Um diese Uhrzeit ist an einem Samstag dort noch nicht so viel los und wir kamen zügig im Stadtzentrum an. Wir erreichten das erste Highlight des Tages, den Arc de Triomphe, exakt fünf Stunden nach unserer Abfahrt - und dazu noch bei strahlendem Sonnenschein. Auch der bis zu zehnspurige Kreisverkehr rund um den Triumphbogen war um diese Uhrzeit noch beherrschbar - doch das änderte sich sehr, sehr schnell.
Wir drehten jedenfalls eine ganze Ehrenrunde um den Bogen und wollten dann kurz ein Foto von vorne schießen. Kaum hatte ich angehalten, stoppte vor uns auch schon ein französischer Rennleiter auf einer weißen 1150 RT. Helene meinte, der hätte freundlich geguckt; ich meinte (und meine immer noch), sein Blick sei genau das Gegenteil gewesen. Helene beeilte sich, das Foto zu machen, und bevor der Flic von seinem Hobel abgestiegen und bei uns angekommen war, fuhren wir auch schon weiter in Richtung Eiffelturm.
Um den schönsten Anblick auf den Turm zu haben, fuhren wir so, dass wir über die Seine-Brücke "Pont d'léna" direkt auf ihn zurollten. Ein toller Anblick - bei Sonnenschein natürlich. Am Platz unter dem Turm war schon massig Betrieb. Hunderte oder tausende Touristen standen schon Schlange, um mit den Aufzügen auf den Turm zu kommen.
Wir verzichteten natürlich darauf und fuhren stattdessen zur Rückseite zum Place Jacques Rueff - die beste Möglichkeit, unser Mopped, uns und den Eiffelturm gleichzeitig auf ein Foto zu bekommen. Während ich danach beim Motorrad blieb und die zahllosen "Plastik-Eiffelturmverkäufer" abwimmelte, machte Helene gefühlt zweihundert Fotos vom Eiffelturm. Wir haben jetzt so viele davon, dass wir ihn hier en detail nachbauen könnten...
Weiter ging es zur Freiheitsstatue. Die kleine Schwester der weltberühmten Freiheitsstatue "Statue of Liberty" steht in Paris an der Seine. Am südlichen Ende der Allée des Cygnes, in Sichtweite des Eiffelturms, ist die Replik der New Yorker Freiheitsstatue zu finden.
Im Jahre 1889, drei Jahre nach der New Yorker, wurde die Pariser Statue eingeweiht. Sie ist so aufgestellt, dass sie in Richtung New Yorker Hafen, in Richtung des Originals schaut, welches die Franzosen den USA zur Unabhängigkeit schenkten.
Wir fuhren dann entlang der Seine in Richtung Ile de la Cité, eine der größeren Inseln in der Seine. In der Nähe von Notre Dame wollten wir dann frühstücken. In der Zwischenzeit waren nicht nur die Touristen unterwegs, sondern plötzlich auch tausende Pariser und Pariserinnen, die zum Samstags-Shopping die Innenstadt erstürmten. Die Verkehrssituation änderte sich schlagartig.
Meiner Einschätzung nach geht die größte Gefahr nicht von den Autos und Reisebussen aus, sondern von den völlig unberechenbaren Rollerfahrern. Selbst die schmalste Lücke nutzen die noch, um in einem Satz über mehrere Fahrspuren zu wechseln. Rollerfahrer in Paris verfügen allesamt über echte Stuntmanqualitäten.
Im Nachhinein kann ich jedem, der mit dem eigenen Motorrad Paris erkunden will, nur dringend empfehlen, den eigenen Fahrstil umgehend (!) von defensiv auf maximal-selbstbewußt umzuschalten. Wer keine Erfahrung hat oder immer nur zögerlich fährt, wird binnen kurzer Zeit mit seinem Mopped an einer Fußgängerampel stehenbleiben und es freiwillig aus der Stadt schieben...
Im "Bistrot Marguerite" am Place de l'Hôtel de Ville am Seine-Ufer ließen wir uns dann erstmal erschöpft nieder und verdrückten jeder ein riesiges Camembert-Baguette und betrachteten aus sicherer Entfernung das beeindruckende Verkehrsgetümmel.
Helene wollte noch an den berühmten Kaufhäusern und an der Oper vorbei und natürlich noch nach Montmartre und nach Sacre Coeur...eigentlich ein Wochenprogramm.
Egal, ob mit dem Motorrad, Flieger oder dem Schnellzug Thalys - ein TGV, der auch ab Köln oder Düsseldorf fährt -, ist Paris eigentlich zu schade für einen Blitzbesuch à la Chinesen-Nummer (...ganz Paris in vier Stunden...). Selbst ein ganzes verlängertes Wochenende reicht nicht aus, um alle Highlights der Metropole an der Seine zu bewundern. Um sich nicht selber unter Streß zu setzen, sollte man lieber mehrere Paris-Touren planen und jede einzelne einem anderen Besichtigungs-Schwerpunkt widmen oder sich jeweils nur ein bestimmtes Stadtviertel (Arrondissement) vornehmen - zu entdecken gibt es mehr als genug.
Obwohl wir dies von zahlreichen vorherigen Parisreisen eigentlich schon wußten, machten wir es mit unserer Eintagestour natürlich wieder falsch. C'est la vie.
Zwei unschlagbare Vorteile hat jedoch eine Paris-Tour mit dem eigenen Motorrad: Man ist einerseits völlig flexibel und andererseits nimmt man so alle Eindrücke am intensivsten auf. Beim Abfahren der einzelnen Highlights per Metro würde man so gut wie kaum etwas von den Eindrücken auf den Straßen mitbekommen und eine Stadtrundfahrt per Doppeldeckerbus ist auch nicht unser Ding. Viel schöner ist es doch, auch die kleinen versteckten Ecken und Winkel zu entdecken, in denen das Paris der 50er Jahre noch existent zu sein scheint.
Nach dem guten Frühstück fühlten wir uns jedenfalls fähig, uns wieder in die wogende Brandung des Pariser Stadtverkehrs zu stürzen. Vorbei an den berühmten Kaufhäusern "Galerie Lafayette" und "Printemps" drehten wir dann die nächste Ehrenrunde um die Oper von Paris, bevor es dann "den Berg hinauf" nach Montmartre ging.
Die zum Teil steile Auffahrt unmittelbar nach Sacre Coeur hat es ebenfalls in sich: Im Navi ist keine geeignete Strecke verfügbar und eine Beschilderung gibt es auch nicht. Alle ausgewiesenen Wege enden weit unterhalb von Sacre Coeur, an der Zahnradbahn.
Nach drei vergeblichen Anläufen durch die engen Kopfsteinpflastergassen von Montmartre wollte ich eigentlich schon aufgeben, als gerade die typische Touristenbimmelbahn um die Ecke bog und auf einer unscheinbaren Gasse, die ich Minuten zuvor noch als Fußgängerweg eingeschätzt hatte, bergauf fuhr. Wir fuhren also hinterher und erreichten nach wenigen Minuten den atemberaubenden Aussichtspunkt hoch über den Dächern von Paris.
Aber auch hier erwartete uns dasselbe Bild wie unter dem Eiffelturm: Hunderte oder tausende Touristen waren auch schon da; ebenso Harfenspieler, Gitaristen und natürlich wieder die fleißigen Souvenirdrückerkolonnen. Das war wieder nix für mich, also parkte ich unser Mopped an der stillen Rückseite der Kirche und ruhte mich im Schatten aus, während Helene die obligatorischen Fotos schoß.
Wenn ich mir im Nachhinein jetzt die tollen Fotos betrachte, ärgert es mich aber schon, dass ich nicht mitgegangen bin. An diesem Tag war das Wetter traumhaft und man konnte kilometerweit über die alten Dächer von Paris blicken.
Gegen 16.00 Uhr starteten wir dann das Unternehmen "Rückzug aus Paris".
Nach einer letzten Ehrenrunde vorbei am Arc de Triomphe und dem Eiffelturm erreichten wir dann jedoch wider Erwarten zügig die Périphérique und die Autobahn A1 in Richtung Nordosten; die meisten Franzosen waren wohl noch immer beim Shopping.
Etwas außerhalb von Paris, bei einem Tankstopp, überlegten wir, ob wir zurück nur über Landstraßen fahren sollten. Nachdem das Navi gerechnet hatte, kam es auf eine voraussichtliche Ankunftszeit von weit nach Mitternacht.
Das war uns nach diesem anstrengenden Tag aber doch zu viel und so fuhren wir auch zurück wieder über die Autobahn. Von der Rückfahrt gibt es, außer einer Erkenntnis, ebenfalls nicht viel zu berichten:
Es ging mal das Gerücht um, dass die Franzosen am Ende der Mautstrecke automatisch feststellen können, ob man zu schnell gefahren sei, und daß man in einem solchen Fall unmittelbar zur Kasse gebeten würde.
Theoretisch ist das leicht möglich: Am Beginn der Mautstrecke zieht man am Automaten sein Ticket (darauf ist die Uhrzeit festgehalten) und am Ende schiebt es der Kassierer in sein Lesegerät am PC. Aufgrund der gefahrenen Strecke und der benötigten Zeit ließe sich adhoc die gefahrene Geschwindigkeit ermitteln.
Da ich dies jedoch vergessen hatte und am Himmel schon wieder dunkle Wolken aufzogen, wertete ich die Geschwindigkeitsbeschränkung von 130 km/h nur als Vorschlag, den ich auch ablehnen konnte...und so kamen wir relativ zügig an der Mautkasse an.
Knapp fünfhundert Meter vorher fiel mir das Gerücht jedoch wieder ein und ich überlegte ernsthaft, ob ich auf dem Standstreifen nicht besser eine Panne simulieren sollte, um etwas Zeit auf unser Konto zu laden. Ich ließ es aber und fuhr äußerlich völlig unbeeindruckt zur Kasse - und es geschah nix, und das Gerücht ist damit widerlegt.
Am frühen Abend und nach knapp elfhundert Kilometern kamen wir dann wieder in Köln an. Der Tag war zwar anstrengend, aber ein tolles Erlebnis. Nach Paris werden wir jederzeit wieder mit dem Motorrad fahren...
Paris mit dem eigenen Motorrad zu erkunden, ist ein unvergeßliches Erlebnis. Man nimmt die zahllosen Eindrücke viel besser auf als würde man sich mit der Metro oder einem Touristenbus durch die Stadt bewegen. Allerdings sollte man fahrerisch schon was drauf haben, für Anfänger ist eine Stadtrundfahrt durch Paris eher nicht geeignet.
Paris ist immer eine Reise wert, aber es sollte schon ein ganzes Wochenende sein.
Schuberth nennt seinen neuen Jethelm M1 in der Langversion "Metropolitan" - was liegt da näher, als ihn in genau der Metropole zu testen, in der das Wort "Metropolitain" nahezu an jeder Straßenecke auf einem Schild steht? Die Rede is' natürlich von einer Moppedtour nach Paris...