Etappe 19: Von Tengen nach Breisach

Petite Venise in Frankreich, eine Pressekonferenz in einer Vinothek und eine Grenzerfahrung mit einem Octopus...

Wir wollten heute zum Titisee im Schwarzwald, nach Colmar in Frankreich und schließlich in die Europastadt Breisach. Gut 250 Kilometer lagen also vor uns und wir fuhren deshalb mal wieder in aller Frühe los.

 

Nach den vorherigen drei Tagen "Motorradfahren im Paradies" stehe ich jetzt vor dem Problem, die Motorradstrecke im Schwarzwald objektiv zu beschreiben. Im Hinterkopf noch die Alpenpässe, drohten Feldberg & Co. jetzt zu unbedeutenden Hügeln zu werden. Doch ich würde der Region Unrecht tun, wenn ich sie so beschreiben würde. Natürlich bietet auch der Schwarzwald anspruchsvolle Strecken und wem die Alpen etwas zu weit weg sind, für den ist die Region im Schwarzwald durchaus eine Alternative - und attraktiver als der "platte Norden" ist der Schwarzwald für Motorradfahrer allemal.

 

Wer beides, Schwarzwald und Alpen, auf einer Reise fahren will, sollte mit dem Schwarzwald anfangen, dann hat man eine stetige Steigerung (und Steigung) vor sich und nicht umgekehrt wie wir, wo leider Strecke und Spannung stetig abfielen...

 

Von Tengen aus hielten wir uns erstmal südlich auf der B 314 in die grobe Richtung von Waldshut-Tiengen. Bei Degern bogen wir dann rechts ab und meisterten die Auffahrt ins "Schwarzwald-Massiv". Dort haben wir dann die obligatorische Runde um den Schluchsee und Titisee gedreht und uns dann, am Feldberg vorbei, in Richtung Lörrach gewandt.

 

In Neuenburg am Rhein sind wir dann über selbigen nach Frankreich gefahren und haben kurze Zeit später dann auch schon Colmar erreicht. Pardon, wenn die Strecke durch den Schwarzwald hier nicht eindrucksvoll beschrieben ist - Gründe siehe oben. Ich hatte aber an diesem 19. Juli sowieso einen "schlechten Tag erwischt" - die Gegend meinte es eigentlich gut mit uns, doch ich war nicht in der Lage, es zu erkennen und später am Abend meinten es die Menschen auch noch sehr gut mit uns, und ich konnte es nicht genießen. Es war halt mal nicht mein Tag...

 

Wir fuhren also erstmal nach Colmar, der farbenfrohen Disneylandausgabe eines französischen Dorfes im Elsass, nah an der deutschen Grenze. Bereits im vergangenen Jahr hatte ich Colmar schon mal besucht - dieses Jahr parkte ich an der selben Stelle vor der Cathedrale St. Martin. Wir waren ziemlich früh in Colmar und hätten eigentlich Zeit gehabt, uns das Städtchen genauer anzusehen. Doch ein Motorrad voller Gepäck unbeaufsichtigt stehen zu lassen und dann auch noch in Motorradausrüstung durch die Stadt zu laufen, fanden wir bei dem Wetter irgendwie nicht so empfehlenswert. Also machte ich wieder die Fahrzeugwache und Helene ein paar tolle Fotos.

 

Nach einer kurzen Kaffeepause fuhren wir dann jedenfalls zurück nach Deutschland, um uns am Rheinufer von Breisach im Schatten etwas auszuruhen, bevor wir den nächsten offiziellen Termin wahrnehmen würden - und Breisach überraschte uns. Es war dort wesentlich ruhiger und beschaulicher als in Colmar, wo einem der ganze Trubel schon relativ schnell auf den Nerv gehen kann. Ganz gewiß ist Breisach auch ein hervorragender Ausgangspunkt für Touren in verschiedene Regionen. Colmar besuchen, aber in Breisach übernachten, so lautete bereits nach einer Viertelstunde unser erstes Fazit.

Als wir dann rechtzeitig in Breisach vor der Touristik-Info und der Vinothek eintrafen, staunten wir nicht schlecht. Neben Annette Senn, der Leiterin des Touristikbüros und Engelbert Hau, seines Zeichens Chef des Kapuzinergartens, unserem heutigen Hotel, erwarteten uns fünf Presseleute. Eine kleine Pressekonferenz extra für die Grenzerfahrung 2010 - vielen Dank dafür. Nach den Interviews und dem Fotoshooting erzählte uns Frau Senn bei einem anschließenden Sektempfang in der benachbarten Vinothek noch einiges über Breisach. Den offiziellen Teil in Breisach beendete Frau Senn dann mit dem Überreichen einer Spende für die Deutsche Krebshilfe. Darüber haben wir uns natürlich sehr gefreut.

 

Schließlich übergab sie uns in die Obhut von Engelbert Hau. Er eskortierte uns auf seiner Victory durch die Breisacher Oberstadt, wie die Altstadt hier genannt wird, zu seinem Hotel "Kapuzinergarten", das für heute unser Quartier war. Das Hotel ist direkt an den Fels gebaut und hat insgesamt neun Etagen - von der Straßenseite aus ist die sechste Etage sozusagen das Hauptgeschoß; es geht von da aus also noch fünfmal runter und dreimal rauf. Er ließ uns die Wahl: Entweder ein Stockwerk hinunter, in ein normales Zimmer, oder drei Stockwerke rauf - ohne Aufzug -, in eine große Dachsuite mit Panoramablick zum Kaiserstuhl.

 

Bevor ich was sagen konnte, hatte sich Helene bereits für die Panoramasuite auf der neunten Etage entschieden; natürlich ohne darüber nachzudenken, dass angesichts der Hitze ein Tankrucksack, zwei Koffer, eine Reisetasche, zwei Helme und die schweren Klamotten am Leib ja auch noch irgendwie hinaufgeschafft werden müßten.

 

Es blieb aber bei ihrer Zimmerauswahl und eine Viertelstunde später saß ich mal wieder wie ein Fisch nach Sauerstoff japsend in einem Sessel - aber Hauptsache, Madame war zufrieden und die Aussicht war schön. Die wahre Grenzerfahrung des Tages sollte mir aber erst noch bevorstehen, doch das dauerte noch etwas.

 

Zunächst gab es einen weiteren Sektempfang auf der Terrasse des Kapuzinergartens. Die Eheleute Hau erzählten uns dann einiges über die Oberstadt von Breisach. Das konnten sie gut und überzeugend, schließlich läßt sich die Familiengeschichte von Herrn Hau über 400 Jahre zurückverfolgen, wenn ich mich recht erinnere.

 

Zwischendurch wollte ich jedoch mal eine Zigarette rauchen - und wurde freundlich und bestimmt darauf hingewiesen, dass das Rauchen auf der Terrasse nicht erwünscht sei, weil der Qualm ja in die darüber liegenden Stockwerke ziehen könnte. Erst fand ich das merkwürdig, aber später am Abend sollte ich noch sehr, sehr froh über diese Regelung sein.

 

Nach dem Sektempfang machten wir beide uns zu Fuß auf, um die Oberstadt zu erkunden. Praktisch: Überall an den Hauswänden waren Auskunftsschilder angebracht, sofern im jeweiligen Haus mal eine historisch wertvolle Person gewohnt hat. So kann man sich einen Touristenführer sparen. Nach dem kleinen Spaziergang folgte noch ein Rundgang durch's Hotel. Die Eheleute Hau haben sich wirklich viel Mühe gegeben; jedes Zimmer ist individuell eingerichtet und nach Möglichkeit wurde sogar historisches Mobiliar verwendet - wie z.B. die original Klosterbetten in einigen Zimmern.

Dann ging es zurück auf die Terrasse zum Abendessen und zu meiner persönlichen Grenzerfahrung. Um es vorwegzunehmen und keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen: Unsere Gastgeber haben alle, wirklich alle Register gezogen, um uns an diesem Abend zu verwöhnen - Helene bestätigt dies gerne. Der Fehler, den ich mir alleine zuschreiben muß: An statt aus der vorgelegten Speisenkarte zu wählen, baten wir Herrn Hau um eine Empfehlung bzw. um eine Zusammenstellung des Menüs nach seinem Gutdünken. Nur regional sollte es sein.

 

Der anschließende Gruß aus der Küche sowie der erste Gang waren es auch. Die Präsentation des zweiten Gangs begleitete Herr Hau dann mit den Worten: "Ein bisschen Fisch darf's doch sein..." - ich schaute auf meinen Teller und erschrak. Nein, was da lag, war sicher nicht der Wahrsager-Krake Paul aus Oberhausen, aber es war eine maritime Kombination, die ich ähnlich mag wie Innereien...

 

Ich war völlig fertig und schnappte nach Luft - Herr Hau, der neben dem Tisch stehenblieb, dachte bestimmt, daß mir die Luft vor freudiger Überraschung wegblieb; doch mir drehte sich innerlich alles um. Um Gotteswillen, dachte ich, wie komme ich aus der Nummer jetzt wieder raus ? Jetzt, nachdem der Teller ja schon auf dem Tisch stand, konnte und durfte ich unseren Gastgeber doch nicht vor den Kopf stoßen.

 

Plötzlich fiel mir die Comicfigur Werner ein, der bei einer Flasche Flens schonmal gerne sagt: "Komm' Alter, hau' wech..." - und ich aß dann das Paulchen auf meinem Teller weitestgehend auf. Als die nette Kellnerin zum Abräumen kam, fragte sie mich freundlich, aber mit leicht vorwurfsvollem Unterton: "Und was ist mit den Fangarmen, essen Sie die nicht ?" Erst wollte ich sagen, dass sie mir bitte ein Doggybag draus machen sollte, aber Ok, dachte ich weiter, "hau' wech die..." und aß meinen Teller jetzt restlos auf.

 

Helene meinte, dass dieser zweite Gang meisterhaft war. Ganz ehrlich ? Es war eine Meisterleistung von mir, dieses Ding aufzuessen. Unmittelbar nach dem letzten Bissen bin ich aber unter dem Vorwand, eine Zigarette rauchen zu wollen, raus auf die Straße gegangen und habe mir den Kraken nochmal rückwärts durch den Kopf gehen lassen - nie zuvor habe ich mich jemals über ein Rauchverbot in einem Lokal so gefreut wie heute...

 

Um es noch mal klar zu stellen: Wie Helene schon feststellte, war das Essen meisterlich und es war mein eigener Fehler, denn ich hätte ja vorher etwas sagen können. Die restlichen Gänge entsprachen dann auch wieder meinen Vorstellungen und sie gipfelten in einem wunderschönen "Grenzerfahrungs-Dessert".

 

Das ganze Abendessen hatte etwas von einer perfekt inszenierten Oper: Die Terrasse des Kapuzinergarten war die große Bühne, der Kaiserstuhl im fernen Hintergrund die passende Kulisse dazu, wir die Statisten, die Küchen- und Servicecrew die Hauptdarsteller und das Ganze wurde sozusagen musikalisch abgerundet durch eine mehr als beeindruckende Weinpräsentation seitens Herrn Hau. Er stellte uns zu jedem Gang die korrespondierenden Weine vor und zeigte uns mit weitreichenden Handbewegungen, fast schon wie ein Dirigent, die Lage der jeweiligen Weingüter am gegenüberliegenden Kaiserstuhl. Selbst mich als überzeugten Biertrinker konnte er damit überzeugen.

 

Perfekt war das - standing Ovations wert. Bleibt noch nachzutragen bzw. nochmal darauf hinzuweisen, dass Herr Hau auch begeisterter Motorradfahrer ist und seinen Gästen sehr gerne Tipps für ausgefallene Routen in der Umgebung gibt - sowohl für den Schwarzwald als auch bis weit nach Frankreich hinein. Wer also mal mit dem Motorrad in der Gegend ist, gerne in einem luxuriösen Hotel mit persönlichem Flair übernachtet und eine meisterliche Küche zu schätzen weiß, findet im Kapuzinergarten in Breisach das passende Quartier.

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