7. Etappe León - Santiago de Compostela

Freitag, 4. Mai 2012

...it's raining again...

Jakobsweg mit dem Motorrad - reisecruiser.de Regen, Regen, Regen,...

Am Morgen ging es unter bewölktem Himmel wieder weiter westwärts. Wir fuhren via Astorga in Richtung Ponferrada. Natürlich dauerte es nicht lange und wir erlebten erneut die ersten Wolkenbrüche. Just als wir in Ponferrada einfuhren, wurden wir wieder klatschnaß.

 

Die anderen hatten zwar ihre Regensachen, aber Helene und ich fuhren in unserer Textil-Leder-Kombi. Unsere oberen Hälften waren gut geschützt mit den Textiljacken von Büse & Scott. Die waren tatsächlich komplett wasserdicht und schützten auch gut vor dem kalten Wind.

 

Unsere Lederhosen waren allerdings inzwischen völlig durchgeweicht (und sie trockneten auch nicht mehr richtig über Nacht). Auf dem Weg zum heiligen Jakob war der heilige Petrus jedenfalls nicht auf unserer Seite.

 

Das Fahren machte nun erstmals keinen großen Spaß mehr; statt zu Reisen wurde es zu einem zwanghaften Fortkommen. Da ja alle unsere Hotels vorgebucht waren - wie will man es mit einer großen Gruppe auch anders machen - hatten wir einen Zeitplan einzuhalten und konnten nicht einfach irgendwo ein oder zwei Tage bleiben, um die Regenfront abzuwarten. Augen zu und durch, lautete nun das Motto.

Es ist schon ein Kreuz' mit dem Kreuz...

In der Nähe von Ponferrada sollte es das "Cruz del ferro" geben. Der Legende nach soll man dort einen Stein, den man von Zuhause mitgebracht hat, ablegen und so alle seine Sorgen verlieren. Helene wollte unbedingt dahin und für unsere Freunde ein paar Steine ablegen. Mir wäre es unter anderem Umständen ganz recht gewesen, denn so konnten wir etwas mitgebrachten Ballast abwerfen...:-)

 

Bei dem Regen und den niedrigen Temperaturen wurde es aber fast schon zur Qual. Zunächstmal konnte uns niemand in Ponferrada erklären, wo das Kreuz denn zu finden war. Es dauerte einige Zeit, bis uns eine einheimische Wirtin eine ungefähre Wegbeschreibung geben konnte. Der Weg führte durch ein, zwei Ortschaften und dann mitten durch die Wallachei einen schier endlosen Bergweg rauf. Der Weg war alles andere als in einem guten Zustand, er glich eher einem Flickenteppich und einer Schlaglochpiste.

 

Nach gefühlten dreißig Kilometern hielt ich bei einem der zahlreichen Pilger, die uns entgegen kamen. Er meinte, dass es noch ungefähr acht Kilometer sein müßten, wir könnten es nicht verfehlen.

...unser "Cruz del ferro"... ...unser "Cruz del ferro"...

Naja, wo wir jetzt schonmal soweit gefahren sind, sollte es auf läppische acht Kilometer auch nicht mehr ankommen. Wir fuhren also weiter und plötzlich tauchte am Wegesrand ein kleines eiserenes Kreuz auf, vor dem ein Häufchen Steine lag. Sollte es das gewesen sein ? So unscheinbar, so klein und so wenige Steine davor ?

 

Gerade, als ich ausrollen und anhalten wollte, stand schon das nächste vor uns. Also fuhren wir erstmal weiter - acht Kilometer, zehn Kilometer, sechzehn Kilometer und jede Menge eiserne Kreuze am Wegesrand.

 

Als ich endgültig aufgeben wollte, tauchte hinter einer Kurve eine Ruinenstätte auf, an der sich offenbar auch zahlreiche wilde Camper niedergelassen hatten - und das bislang größte Kreuz inclusive größerem Steinhaufen stand ebenfalls da. Prompt hielt ich an und wollte fragen gehen, aber keine Menschenseele war da. Kurzerhand bestimmte ich dieses Kreuz nun zum "Cruz del ferro". Schnell den Ballast abgeworfen, die "Beweisfotos" geschossen und dann drehten wir um und fuhren die Bergtour wieder zurück nach Ponferrada.

 

Zu diesem Zeitpunkt war mir noch nicht klar, dass ich ein moderner Columbus war und statt "Indien nur Amerika" gefunden hatte - Fakt ist jedoch: Abends erfuhren wir in Santiago de Compostela, dass wir hinter dem wilden Campingplatz nur noch zwei (!) Kurven hätten absolvieren müssen, um das eigentliche Kreuz zu finden.

 

Tja, liebe Freunde Zuhause, wenn Eure Sorgen jetzt nicht weg sind (obwohl wir uns an diesem Tag viel Mühe gegeben haben), dann ist es wohl meine Schuld...

Labyrinth Santiago de Compostela...

Nachdem wir Ponferrada im Tal wieder erreicht hatten, wollten wir nur noch weg. Weg in Richtung Santiago, weg in Richtung Hotelzimmer. Die Gegend war sicher sehr schön, aber bei heftigem Regen hat man für sowas kein Auge mehr. Vorwärtskommen und Kilometerabspulen war angesagt.

 

Am frühen Abend erreichten wir das Ziel des Jakobsweges, Santiago de Compostela. Beim Einrollen in die Stadt glaubten wir naiv, nun alles überstanden zu haben, doch schnell wurden wir eines Besseren belehrt. Man hätte sich denken können, dass es in Santiago vor Menschen brodelt; Pilger, wohin man nur schaut. Und die sind so völlig fertig (oder beseelt), dass sie keinesfalls darauf achten, wo und wie sie laufen. Für uns war nur ein mühsames "Stop and Go" möglich und es war nur eine Frage der Zeit, bis unsere Gruppe auseinandergerissen wurde.

 

Lediglich Uwe hielt mit seiner R 1200 RT den Anschluß an uns. Wir warteten zwar noch an irgendeiner Kreuzung, doch vom Rest der Truppe war nix mehr zu sehen. Nach kurzer Beratung entschieden wir, dass halt auch Opfer gebracht werden müssen und machten uns dann nur noch mit zwei Motorrädern auf die Suche nach unserem Hotel. Die anderen kannten ja die Adresse und würden es irgendwann sicher auch ohne uns schaffen.

 

Unser Navi lotste uns immer wieder um die Fußgängerzone im Altstadtbereich - ein Hineinfahren schien nicht möglich. Uwe's Navi bot dagegen eine Alternative an, also fuhr er nun vor. Prompt wurden wir auf die Stadtautobahn geleitet und fuhren wieder aus Santiago raus.

 

Also drehten wir wieder, wir übernahmen wieder die Führung und fuhren bis an den Rand der Altstadt. Ab da ging ich erstmal alleine zu Fuß vor, um überhaupt mal das Hotel zu lokalisieren. Ich mußte unzählige Winkel und Treppen absolvieren - unmöglich, dies später mit dem Mopped zu schaffen. Jedenfalls fand ich unser Hotel direkt neben der Kathedrale. Der Portier meinte, dass es keine Möglichkeit gäbe, vor's Hotel zu fahren.

 

Als ich mich resigniert wieder auf den Rückweg machte, rief Uwe schon an und teilte mit, dass ein Streifenwagen angehalten hatte und dass die Polizisten angeboten hatten, uns zum Hotel zu lotsen. Ich lief schnell zurück und dann fuhren wir zwei, drei Straßen links, eine rechts (oder so ähnlich) durch die Fußgängerzone und schon standen wir vor dem Hotel "Hospederia San Martin Pinario". Selten war ich der Polizei so dankbar, das waren echte Freunde und Helfer...

 

Als wir die Reise planten, wollten wir der Gruppe mit der Auswahl dieses Hotels etwas Gutes tun - eine Übernachtung direkt neben der Kathedrale, das wäre doch ein Highlight, so dachten wir damals. Dass die Anfahrt zu einem "Mopped-Labyrinth" werden würde, hatten wir nicht erkannt.

 

Das Hotel ist im Seitenflügel eines Klosters untergebracht. Es stammt aus dem 16. Jahrhundert und die Zimmer sind nach wie vor wie Klosterzellen gehalten - Bett, Tisch, Stuhl und dicke alte Mauern. Die Geschichte ist hier spürbar. Natürlich verfügt heute aber jede "Zelle" über Toilette und Bad.

 

Früher oder später trudelten auch die übrigen Mitfahrer ein. Bis unmittelbar vor's Hotel hatte es keiner geschafft, sie nahmen alle etwas Fußweg in Kauf.

Erst, wenn im Klingelbeutel die richtige Summe ist, schwingen wir den Weihrauchkübel...

Jakobsweg mit dem Motorrad - reisecruiser.de Treppen ohne Ende...

Für mich persönlich war Santiago de Compostela zunächst mal nur eines der Etappenziele auf der Rundreise. Ich bin nicht katholisch und kann mich mit dem ganzen kirchlichen Drumherum kaum identifizieren. Dennoch gingen Helene und ich natürlich in die Kathedrale.

 

Als wir ankamen, fand gerade die Abendmesse statt, aber wir konnten trotzdem einen kleinen Rundgang machen. Die Anhäufung goldener Reichtümer rund um den Altar war imposant - dagegen sieht es im Innern des Kölner Doms wie in einer Dorfkirche aus.

 

Unter der hohen Decke hing der gigantische Weihrauchkübel, der bei entsprechenden Anlässen dann über Seilwinden zum Schwingen gebracht wird und so alle Gläubigen mit Qualm versorgen soll. Wie wir später erfuhren, soll sich die katholische Kirche da ganz pragmatisch und geschäftstüchtig verhalten:

 

Während der Messe würde ständig der Inhalt des Klingelbeutels gezählt und erst bei Erreichen der richtigen Summe würde der Kübel geschwungen. Die Gläubigen würden während der Messe über den jeweils noch fehlenden Betrag informiert. Da hieße es dann schonmal (mehrsprachig natürlich, man ist ja service-orientiert): Es fehlen noch dreihundert Euro, erst dann schwingen wir...

 

Das nenne ich mal Abzocke. Da sieht man mal wieder, dass es der Kirche doch auch nur um eins geht: Die Kohle. Alleine dadurch, dass die Kirche dermaßen ihre Geldgier zum Ausdruck brachte, hatte Santiago ab da ohnehin jede Faszination für mich verloren.

 

Wir gingen stattdessen zur Abwechslung mal italienisch essen und früh ins Bett...

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