Im Frühjahr 1982 kaufte ich mir mein erstes richtiges Motorrad. Ich wollte unbedingt ein Motorrad und eine BMW R 75/5 war gerade günstig in der Verwandtschaft zu bekommen, also kam mehr oder weniger zufällig der erste Boxer-Motor in den Stall. Wie gut und lebensrettend diese Entscheidung war, sollte sich knapp sechs Monate später herausstellen.
Es war an einem verregneten Sonntagabend im November '82 und ich fuhr in Düsseldorf auf der Berliner Allee bei "Grün" über eine Kreuzung als ich plötzlich von links einen Schatten und sofort danach einen Schlag wahrnahm. Plopp & Bumms, das war's. Ein Straßenbahnfahrer hatte gepennt und ist mit seinem 40-Meter-Zug ungebremst und trotz Sperrzeichen über die Kreuzung gedonnert und hatte mich voll an der Seite erwischt.
Das sechs Monate zurückliegende Motorrad-Sicherheitstraining konnte daran auch nix mehr ändern. Mein Bewußtsein erlangte ich jedenfalls nach und nach unter der Straßenbahn liegend wieder. Schmerzen hatte ich da noch nicht, aber mit Bewegen war's nix; ich war regelrecht eingeklemmt. Ich kam mir vor wie in einer Müllpresse - wobei ich eigentlich gar nicht weiß, wie man sich in einer Müllpresse fühlt...
Es dauerte aber jedenfalls nicht lange, bis Notarzt und Feuerwehr eintrafen. Der Notarzt bückte sich (im respektvollen Sicherheitsabstand zur Bahn) und fragte mich, ob alles ok sei... - was für eine Frage. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch zu einem Späßchen aufgelegt und antwortete: "Jaja, is' alles klar, ich mache hier gerade an einer Straßenbahn einen Ölwechsel."
So richtig mulmig wurde mir erst, als sich ein Feuerwehrmann ebenfalls niederkniete und mir von Amts wegen verkündete, dass man im Moment nichts anderes tun könne, als auf den Bergekran zu warten. Das könne aber etwas dauern; er würde aber so lange da vorne knien bleiben, meinte er. Verdammte Sch..., dachte ich nur noch.
Mein persönliches Schicksal hatte vehement zugeschlagen, aber auf halbem Wege eine Pause eingelegt: Die Straßenbahn wurde aus den Angeln (Schienen) gehoben und hatte sich tatsächlich auf dem linken Zylinder des Boxers verkeilt und der brave Zylinder hielt (noch) - und ich lag drunter.
Das Warten auf den Bergekran dauerte sage und schreibe anderthalb Stunden (zwischenzeitlich war der Schock vorbei und ich hatte tierische Schmerzen in den Beinen). Aber noch größer war die Angst, dass die BMW irgendwann dem Druck nachgeben würde, denn ab und an "knarzte" und knackte es bedenklich. Sehr bedenklich, fand ich.
Ich sagte dies dem fünf Meter entfernt hockenden Feuerwehrmann. Ich habe bis heute nicht vergessen wie er trocken erwiderte: "Datt' is' völlich normal". Ja nee, is' klar, datt' is' völlig normal, wenn man von einer Bahn gerammt und unter ihr begraben wurde.
Auf die Idee, die Bahn vielleicht anderweitig abzustützen, kam keiner; ich allerdings auch nicht. Ich lag da und stierte die Unterseite der Bahn an und hatte schlicht und ergreifend nur noch Schiß...
Aber die gute BMW gab nicht nach. Sie hielt anderthalb Stunden lang, bis der Kranwagen der Feuerwehr diese Sch...-Straßenbahn aus den Angeln heben und man mich rausziehen konnte. Zum Abschluß der Aktion noch cool auf der Trage liegend das "Victory-Zeichen" gezeigt und die "standing ovations" der Gaffer entgegengenommen. Der Rest ist kurz erzählt: Beide Knie "zermatscht" und vorübergehend kaputt, 3 schmerzhafte OP's und 1 Jahr Laufübungen...
BMW's sind schon gute Motorräder und den "öffentlichen Personen-Nahverkehr" kann man vergessen...
Hätte ich ne' Reisschüssel oder nen' Alteisenhaufen (is' nich' böse gemeint) gefahren, wäre es um mich geschehen gewesen, denn da wäre die Straßenbahn wohl kommentarlos drüber gefahren. Meine tapfere Lebensretterin wurde zwar verschrottet - ich konnte es krankenhaustechnisch nicht verhindern -, aber einige Teile brachte man mir mit: Die damals noch emaillierten Tankembleme befinden sich heute am jeweils aktuellen Motorrad und so "lebt" und fährt die R 75/5 weiter und weiter...
Ok, damit ist schonmal die Prägung auf BMW Motorräder im allgemeinen und auf BMW-Boxer im besonderen erklärt. Es folgten dann im Laufe der Zeit auch eine R 90/6, eine R 100 RS, eine R 80 RT und, last but not least, den Reise-Luxus-Tourer R 1150 RT - letztere gefiel mir weniger, weil sie für mich das "typische BMW-Feeling" nicht mehr hatte. Ein ziemlich modernes Motorrad eben...
Meine ganz persönliche Wirtschaftskrise hatte ich nicht in 2008, sondern einige Jahre eher. Auch meine nicht so sehr geliebte 1150 RT mußte damals deshalb dran glauben. Notverkauf, weil Strom & Miete bezahlt werden mußten. Die folgenden Jahre ohne jegliche Eifeltour änderten aber nichts: Der Virus war permanent da und die Sucht nach Motorradfahren wollte befriedigt werden...