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Harley Davidson Street Gilde

A legend never dies ?

Zugegeben, wir sind ziemlich voreingenommen an die Sache rangegangen. Unsere Ansprüche sind recht hoch, denn an sich sind wir mit unserer Royal Star mehr als zufrieden, und das gleiche gilt für Andreas mit seiner Thunderbird.

 

Aber träumen darf man ja mal - z.B. von einem Zweitmopped (oder in Andreas' Fall von einem Dritt- bzw. Vierthobel). Dann gibt es ja noch die HOGs, wie unser Nachbar Freddy, die einen Nichtharleyfahrer ja gerne mitleidig belächeln, weil man ja kein "echtes" Mopped fahren würde und man deshalb keine Ahnung habe. Und last, but not least, kriegen wir ja regelmäßig den gutgemachten Newsletter von Harley, der immer wieder mit dem Mythos lockt...

 

Es gab also genug Gründe, endlich mal dem Mythos und den HOGs auf den Zahn zu fühlen. Heute bot sich bei strahlendem (Touren-)Sonnenschein die Gelegenheit, bei Harley Davidson in Remscheid eine Street Glide Special und eine Night Rod Special für eine mehrstündige Probefahrt zu übernehmen.

Harley Davidson Night Rod & Street Gilde Merkwürdige Kulisse, um Harley Neufahrzeuge zu präsentieren...

Beim telefonischen Vorgespräch hatte ich den Wunsch geäußert, eine tourentaugliche Street Glide fahren zu können. Auf die Frage des Verkäufers, was ich denn unter tourentauglich verstehen würde, erklärte ich ihm, dass meine Frau zu gleichen Teilen mitentscheidend sei; d.h., wenn sie sich hinten auf dem Ding ebenso wohlfühlt wie ich vorne, ist's ok, wenn nicht, war's das.

 

Seine Antwort dazu: "Eine Street Glide im Serienzustand wird Deine Anforderungen nicht erfüllen, da müßte man dann noch einen anderen Sitz und eine Rückenlehne wählen, aber dafür haben wir genügend im Zubehör zur Auswahl."

 

Respekt für diese offene und faire Ansage, trotzdem ist es irgendwie merkwürdig, dass ein Mopped für 25 Mille - das ist der Startpreis, den man für so ein Teil lässig über'n Tresen schieben darf - nicht von vornherein tourentauglich ist. Und das, obwohl Harley es in der Produktbeschreibung auf der Homepage so ankündigt...

Lange Rede, kurzer Sinn...

Harly Street Gilde @ reisecruiser Harley Street Gilde @ reisecruiser

Der Verkäufer hatte recht, die Street Glide ist im Serienzustand für zwei Personen nicht tourentauglich. Helene bekam hinten drauf während der Tour durchs Bergische Land so gar kein Feeling für den legendären Mythos, denn sie war stets damit beschäftigt, auf dem nach hinten abgerundeten "Brötchen" nicht runterzurutschen und sie hatte Mühe, Unterschenkel und Füße um die Koffer herum zu sortieren, ohne einen Krampf zu kriegen. Entspanntes Cruisen sieht irgendwie anders aus.

 

Ok, das mit der nicht gegebenen Tourentauglichkeit wußten wir ja. Immerhin war sie soundmäßig schon aufgerüstet. Heutzutage hört sich ein neues Motorrad - übrigens egal welcher Marke - serienmäßig echt nach nix an. Unsere Harley hatte aber eine Auspuffanlage von Kess-Tech montiert. Per Druckschalter am Lenker läßt sich der Sound spürbar ändern - von langweilig bis geil, aber leider illegal. By the way, die bei unserer Royal Star eingetragenen 100 dB(A) sind auch schon geil - und sogar legal...:-)

 

Ansonsten kam die Street Glide übrigens wie angekündigt im Serienzustand daher. Hinter der aerodynamisch gut geformten Kunststoffkanzel prangt mittig erstmal ein großer Touchscreen, über den Funktionen wie Multimedia, Bordcomputer, Navigationssystem und andere Helferlein angesteuert werden. Jeweils rechts und links daneben befinden sich zwei große Lautsprecherboxen in der Konsole. Der Touchscreen ist so groß, dass sich die einzelnen Funktionen auch sehr gut mit Handschuhen bedienen lassen. Einige Einstellungen lassen sich ebenfalls noch per Schalter am Lenker bedienen.

 

Es gibt diverse USB- und SD-Card Schnittstellen sowie Bluetooth für alles Mögliche. Es gibt ein Spracherkennungssystem und ein Text-zu-Sprache System - keine Ahnung, ob das bedeutet, dass die Street Glide einem die Betriebsanleitung auch noch selbst vorlesen kann. Bei der Vielzahl an Spielereien wäre das womöglich noch ein nützliches Feature. Die Rechnerleistung der Street Glide ist bestimmt um ein Vielfaches höher als damals bei der ersten Mondlandefähre der Nasa - übrigens und nebenbei bemerkt: Rund 60 Millionen US-Amerikaner halten die Mondlandung für einen Mythos, allerdings im negativen Sinne...

 

Zurück zur Street Glide:  Es gibt es kein Zündschloß mehr. Die Zündung wird per Drehschalter aktiviert (ein Transponder in der Jackentasche macht's möglich). Geblinkt wird nach BMW-Art, d.h. an jeder Seite des Lenkers sitzt jetzt ein Blinkerschalter. Der Rest ist wie gehabt.

Ja, wo isser' denn, der Mythos ? Oder ist der Mythos ein Mythos ?

Für mich als Fahrer war der Sitz bequem und die Sitzposition ganz ok. Nicht ganz so stimmig wie bei der Royal Star, aber eben ok. Lediglich die Länge der Schaltwippe war für mich ein Stück zu kurz; mit Schuhgröße 46 habe ich bei jedem Reinlangen sowohl rauf- als auch runtergeschaltet - entweder gewöhnt man sich daran oder muss halt wieder in den Zubehörkatalog schauen...

 

Insgesamt hatte ich gefühlt nicht so viel Mopped unter'm Hintern wie bei der Royal Star, irgendwie kam mir die Street Glide eine Stufe kleiner vor. Ist eben ein kleiner Unterschied, ob man einen schmalen V-Twin oder einen wuchtigen V-Vierzylinder unter sich hat.

 

Was mich eigentlich so richtig genervt hat, war das Zittern im Stand. Im Stand klingt die Street Glide mit geschlossener Soundanlage nicht nur blechern, sondern wackelt auch so. Man kann es nicht als brummiges, vor Kraft strotzendes Schütteln beschreiben (was ich ja noch ok fände), sondern es war für mich ein ständiges Zittern. Oder hatte die Harley nur Angst vor mir ?

 

Was mich allerdings schon sehr verwundert hat: Die Verarbeitungsqualität hat uns auch nicht als "state of the art" überzeugt:

Unsere Royal Star wird im kommenden Jahr zwanzig Jahre alt und da rostet nix. Auch Kabelverbindungen hat Yamaha bzw. Star Motorcycles schon 1996 sauber und geschützt verlegt, statt sie offen rumliegen zu lassen...

Fazit: Freddy, Du alter HOG, Du fährst auch nur'n Mopped...

Summasummarum: Die Harley war nicht schlecht. Ich würde mir eher eine Harley kaufen als eine Victory.

 

Aber die Offenbarung eines Mythos oder eine Legende war die Street Glide auch nicht. Dafür waren für mich schlicht zu viele elektronische Spielereien an Bord. Leider (myth busted) kann man die Harley auch nicht mehr als "Eisenhaufen" mit einem speziellen Charakter bezeichnen, denn wie bei den meisten modernen Moppeds hat auch bei der Street Glide der Kunststoff längst den main part übernommen.

 

Sie ist ein modernes Motorrad mit viel Infotainment, wie man heute so sagt. Dies alleine rechtfertigt für mich allerdings keinen Startpreis von 25.000 Euro. Das kriege ich bei anderen Marken wesentlich angemessener - insbesondere wenn man bedenkt, dass man ja nochmal 'ne ordentliche Schüppe drauflegen muss, um sie tourentauglich und auspufftechnisch aufzurüsten.

 

Vielleicht ist unsere Enttäuschung auch nur der weniger gelungenen Übergabepräsentation geschuldet und vielleicht war der Rostbefall ein Einzelfall - aber alles zusammen genommen war das heute kein Mythos, den wir erlebt haben.

 

Immerhin können wir jetzt mitreden, wenn die Freddys dieser Welt mal wieder mitleidig lächeln - sie wissen's halt nicht besser...

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