Unsere bisherigen Cruiser waren uns offengestanden ein wenig zu lahmarschig und ein Tourensportler mittlerweile auf Dauer doch nicht mehr bequem genug - man wird halt nicht jünger. Ergo war es irgendwie nur eine Frage der Zeit, bis die BMW K 1200 auch wieder dran glauben und ihren Platz in unserer Garage räumen mußte. Für den Moment meinen wir jedoch, einen akzeptablen Mittelweg gefunden zu haben:
Die nahezu schon legendäre Honda F6C Valkyrie bietet eine ansehnliche Motorleistung von rund 100 PS aus einem 1500er Sechszylinder Boxer, ein überzeugendes Drehmoment von 130 Nm und 'ne Sitzbank, die bequem ist wie Opa's Ohrensessel.
Unsere Valkyrie ist 1998 in Marysville (Ohio, US) direkt für den deutschen Markt produziert worden; es handelt sich also nicht um so'n Importteil mit Meilentacho, das erst noch auf deutsche Normen umgefriemelt werden mußte. Was sowas Jahre später - trotz erfolgter deutscher Zulassung - noch beim TÜV bedeuten kann, hatten wir ja mal mit der Royal Star erlebt, auf solch' ein bürokratisches Theater hatten wir keinen Bock mehr.
TIPP: Falls sich jemand mal ebenfalls ein deutsches Modell gönnen möchte: In der Fahrgestellnummer ist das Kürzel SC34B enthalten; was bedeutet, dass diese Modelle von vornherein TÜV-konform sind. Bei Modellen mit dem Kürzel SC34A handelt es sich um Fahrzeuge, die für die übrigen EU-Staaten gebaut wurden; auch die können noch relativ problemlos zugelassen werden. Alle anderen SC34-Variationen betreffen den Rest der Welt - und diese brauchen das Wohlwollen des deutschen TÜV (und ggf. die eine oder andere Umbaumassnahme), bevor sie hier zugelassen werden können bzw. ne' weitere Plakette kriegen.
F6C heißt übrigens Flat Six Custom - in Deutschland wurde sie nur als F6C verkauft, den Zusatz "Valkyrie" sparte man sich hier. Die Amerikaner nennen die F6 Valkyrie übrigens "the Dragon" (weil der US-Journalist, der seinerzeit den ersten Testbericht veröffentlicht hatte, sie überschwänglich als "großen feuerspeienden Drachen..." beschrieben hatte).
Die Valkyrie gehört übrigens zu den wenigen Moppeds, die nie einem Rückruf folgen mußten - welcher Plastikhobel aus der heutigen Zeit kann sowas schon von sich behaupten?
Dass sie selten & schön ist, zeigte sich bei einer ersten kleinen Caférunde: Die Valkyrie diente binnen einer halben Stunde gleich fünfmal als "Selfie-Hintergrund" für Passanten - und deshalb gilt auch hier:
Angucken ja, auf Knien drumherum rutschen ja, anfassen oder gar draufsetzen is' aber nich'...
Wie immer bei einem "neuen" Mopped, ging auch unsere Valkyrie erstmal in die Werkstatt. Anlaß war der obligatorische Rundum-Check und sie bekam neue Schuhe - die aktuellen Metzeler-Pellen wurden gegen unsere favorisierten AVON COBRA CHROME ausgetauscht.
Darüber hinaus bekam sie zwei neue Zahnriemen verpaßt. Ja, die Valkyrie hat gleich zwei Zahnriemen - man gönnt sich ja sonst nix. Die alten hatten zwar gerade erst ein Viertel der von Honda empfohlenen Fahrleistung erreicht, sie hatten aber schon einige Jahre auf'm Buckel. Bevor uns ein kapitaler Motorschaden ereilt, ließen wir diese Verschleißteile auswechseln, auch wenn's sich dabei nicht gerade um eine preiswerte Angelegenheit handelt (Pi mal Daumen und je nach Werkstatt 400-600 Euro).
TIPP: Wer sich eine F6C zulegen möchte, sollte eine kaufen, bei der diese Arbeiten schon erledigt wurden bzw. wo nachgewiesen ist, dass die Zahnriemen noch nicht älter als fünf Jahre sind. Leider ist das eher selten der Fall, meist hört man stattdessen den blöden Satz: Meine Werkstatt meint, sie seien noch in Ordnung - schriftlich gibt's das aber natürlich nicht. Dann heißt's entweder Abstand nehmen vom Kauf oder direkt nach dem Kauf ab in die Werkstatt...
Ach ja, und wir haben unsere erste Strom - ähm' Chromrechnung bezahlt. Nie für möglich gehalten, aber wir fangen
tatsächlich an, uns für Chromspielereien zu interessieren. Die Valkyrie ist vom Werk aus zwar schon ziemlich verchromt ausgestattet, aber da gibt es dank findiger Zubehörfirmen noch unendlich viele
weitere Möglichkeiten, jede Menge Kohle sinnbefreit zu versenken...;-)
Da freuen sich übrigens nicht nur die Zubehörfirmen, sondern auch die Inspektionswerkstatt: Viele der Spielereien müssen nämlich zur Wartung jedesmal ab- und wieder angebaut werden und das läßt man sich logischerweise auch bezahlen. Das schlägt schonmal schnell mit 'ner weiteren Arbeitsstunde zu Buche; das sollte man einkalkulieren, bevor man die Valkyrie exzessiv "verchromt".
Sobald man all' die vorstehenden Punkte mal akzeptiert hat, belohnt einen die Valkyrie mit einem nahezu unglaublichen Fahrkomfort. Selbst die serienmäßige Sitzbank ist für Fahrer & Sozia sehr bequem.
Die Anordnung der Fußrastenanlage ist auch für größere Leute (ich bin 183 cm groß) durchaus ok und langstreckentauglich.
Auch kleinere Fahrer werden mit der Valkyrie gut zurechtkommen, denn die Sitzhöhe beträgt nur 740 mm, wer da nicht mit beiden Latschen auf'n Boden kommt, muss schon ein echter Zwerg sein.
Der breite, nach hinten gebogene Lenker läßt eine aufrechte und - vor allem - dauerhaft entspannte Sitzposition zu. Der Serienlenker ist für mich der Lenker schlechthin, er paßt einfach perfekt. Das große Windschild (jedenfalls das Original von Honda) hält ebenfalls, was es verspricht und nimmt jeglichen Druck vom Oberkörper und Kopf. Es ist mit vier Schrauben befestigt, kann also auch schnell mal abgenommen werden.
Die F6C Valkyrie wurde in drei Versionen gebaut:
Für den europäischen Markt wurden übrigens ausschließlich Standardversionen produziert - Tourer und Interstates sind also spätere Importfahrzeuge.
Alles in allem gilt bei der Valkyrie wirklich der Spruch: Absteigen? Ja, aber nur zum Tanken - ok, plus Rauchen, Kaffee oder Besuch auf'm Klo...;-)
Apropos Tank leerfahren: Klimawandelnde Moralapostel sollten sich keine Valkyrie zulegen, denn sie kippt sich ganz gerne einen hinter die Binde. Einen Durchschnittsverbrauch von rund sieben bis acht Liter sollte ein Eigner moralisch und finanziell schon noch verkraften können. Aber wer leistet sich schon eine Valkyrie, um fossile Brennstoffe zu sparen? Wir jedenfalls nicht.
In den groß aussehenden Tank gehen gerade mal zwanzig Liter rein (davon 4,3 Liter Reserve), das ist nicht besonders viel. Je nach Fahrweise und Zuladung heißt's dann nach rund zweihundert Kilometern, so langsam mal Ausschau nach einer Tankstelle zu halten.
Dank ihres Drehmomentes von 130 Nm läßt sie sich übrigens sehr schaltfaul fahren und wenn mal geschaltet werden muss, sorgt die hydraulische Kupplung dafür, dass das seidenweich geschieht.
Es mag sein, dass sie in engen Kurven mit den Fußrasten aufsetzt - allerdings nur dann, wenn man "fährt wie Sau". Bewegt man sie einigermaßen kultiviert bzw. artgerecht und analog zu den jeweils erlaubten Geschwindigkeiten, wird man das aber so nicht erleben.
Unvergleichlich ist natürlich der Sound aus der 6-in-2-Auspuffanlage. Der Sechszylinder-Boxermotor bollert im Stand sanft vor sich hin und erinnert, sobald man mal am Gasgriff dreht, schnell an einen 911er Porsche aus längst vergangenen Zeiten.
Insgesamt hat es bei uns rund zwei Wochen bzw. nur etwas mehr als fünfhundert Kilometer gedauert, sämtliche Eigenarten der Valkyrie im wahrsten Sinne des Wortes zu erfahren.
Auch wenn man ein Teilstück einer Tour wirklich mal auf der Dosenbahn abreißen muss, legt sich die F6C mächtig ins Zeug und sorgt dafür, dass das eine kurzweilige Aktion wird. Auch bei Geschwindigkeiten jenseits von 180 km/h zieht sie schnurgeradeaus, da eiert nix rum und da stören auch keine sonstigen Vibrationen.
Wir bewegen unsere Valkyrie jetzt aber nicht ständig wie'n Fluchtfahrzeug durch die Gegend, aber allein das Wissen um die Möglichkeit hinterläßt schon ein gutes und sicheres Gefühl.
Es geistert die Legende um, dass die F6C, respective deren Motor, einfach unkaputtbar sei.
Das ist natürlich völliger Quatsch, denn eine ungepflegte Maschine wird ebenso früher oder später den Geist aufgeben wie alle anderen Moppeds mit weniger Zylindern auch. Auch eine Valkyrie muss selbstverständlich regelmäßig gewartet werden - vielleicht sogar öfter und damit auch kostenintensiver als bei kleineren Moppeds.
Wer sich eine Valkyrie kaufen möchte, sollte plausible Wartungsnachweise verlangen und sich das Mopped genau anschauen. Wie anfangs schon erwähnt, ist der relativ teure Zahnriemenwechsel in nahezu allen Fällen ein Thema. Als weiteres Indiz kommt der Zustand der Schläuche (Brems-, Kupplungs- und Unterdruckschlauch) in Betracht. Im Laufe der Zeit werden diese porös und sollten getauscht werden - bzw. nach rund zwanzig Jahren längst mal getauscht worden sein.
Rein äußerlich betrachtet, sind die meisten Valkyrien auf den ersten Blick schön anzusehen; die Chromteile sind überwiegend in Schuß gehalten. Der Großteil der uns mittlerweile bekannten Valkyrien ist von deren Besitzern auch penibelst gehegt und gepflegt worden.
Ist das aber nicht der Fall und sind die Chromteile z.B. schon angelaufen: Finger weg von dem Teil, denn wer das nicht gepflegt hat, hat den Rest (Technik) höchstwahrscheinlich auch nicht gepflegt.
Vorsicht ist natürlich geboten, wenn die Valkyrie im vermeintlichen Verbesserungswahn erhebliche technische Eingriffe oder sog. Modifizierungen über sich ergehen lassen mußte. Damit sind jetzt nicht die Chrom-Gadgets gemeint, sondern Änderungen im Inneren von Motor oder Vergaser. Es gab schon den einen oder anderen Hobbyschrauber, dessen motorradtechnisches Halbwissen ihn zu der Überzeugung verleitete, wesentlich schlauer als die damalige Ingenieurs-Crew von Honda zu sein. Komischerweise tauchten solche Objekte desöfteren relativ kurze Zeit nach der Bastelaktion in diversen Verkaufsportalen auf. Dass die Kiste nicht mehr so funktionierte wie sie eigentlich sollte, wurde dabei natürlich "vergessen zu erwähnen". Sowas passiert zwar selten (und nicht nur bei Valkyrie-Besitzern), ist aber schon vorgekommen.
Da man diese Veränderungen äußerlich nicht erkennen kann, sollte man sich den Originalzustand von Motor & Vergaseranlage im Kaufvertrag bestätigen lassen.
Last but not least: Wer eine Valkyrie mit solider Ausgangsbasis gefunden hat und diese regelmäßig in Schuß hält, wird dann sicher auch mit der legendären Unkaputtbarkeit belohnt.
Das ist dann allerdings weniger ein Wunder, sondern eine Folge des Respekts, den man seinem Mopped entgegenbringt.
Um den Zustand dann auch langfristig zu erhalten, empfiehlt es sich hier ebenfalls, nicht auf den Euro zu schauen - soll heißen: Es bringt nix, wichtige Ersatz- bzw. Verschleißteile bei irgendwelchen Billiganbietern bei ebay & Co. zu kaufen, sondern ausschließlich OEM-(Erstausrüster-)Teile zu verwenden. Wir handhaben das jedenfalls so.
Ok, am Ende des Tages bzw. wenn das Kind doch mal in' Brunnen gefallen ist, wird sich auch der Hersteller von OEM-Produkten ganz sicher aus der Haftung herauswinden, aber das subjektive Empfinden ist bei Verwendung von Erstausrüsterteilen zumindest deutlich angenehmer.
Wer das ein oder andere an seiner Valkyrie selber machen möchte, ist natürlich gut beraten, sich entsprechende Literatur zu beschaffen.
Für die Valkyrie gab es ein sehr gutes Wartungs- und Reparaturhandbuch. Das originale gedruckte Werkstatt-Handbuch bestand aus insgesamt vier Bänden und ist nach unserem Wissen so nicht mehr verfügbar.
Lediglich der Hauptband wird regelmäßig für "um die hundert Euro" angeboten. Wir hatten Glück und konnten noch eine Komplettausgabe aller vier Bände ergattern. Wer irgendwann mal unsere Valkyrie kaufen wird, kann die Bücher für teures Geld ebenfalls gerne erwerben...;-)
Heutzutage kann man den ersten Band des Werkstatt-Handbuches an verschiedenen Stellen im www aber auch kostenlos als PDF-Datei herunterladen - einen Link veröffentlichen wir hier nicht, da das Zurverfügungstellen eines solchen Links nicht legal wäre. Wer aber ein wenig "googelt", wird die Anleitung schnell finden, andere sind da deutlich schmerzbefreiter als wir bzw. haben das entsprechende Lehrgeld dafür noch nicht zahlen müssen.
Um unsere Valkyrie zu finden, haben wir uns deutschlandweit vier Exemplare näher angesehen. Es dauert halt, bis man eine gute Valkyrie mit ehrlichem Besitzer findet. Und die steht, frei nach Murphy's law, natürlich nicht mal eben um die Ecke - um die Ecke wird ne' gute Valkyrie immer erst dann angeboten, nachdem man seine eigene gerade gekauft hat...
Ausnahmslos jede angebotene Valkyrie befand sich laut Inserat technisch und optisch natürlich in Topzustand, doch erst vor Ort und nach teils zähem Nachfragen stellten sich dann doch versteckte Mängel bzw. von Laien vorgenommene Veränderungen oder die tatsächliche Herkunft (Importkiste) heraus.
Man sollte seine Vorfreude kontrollieren, das Sabbern unterdrücken und nicht gleich die Erstbeste kaufen, auch wenn man dafür ein paar hundert Kilometer zurücklegen muss.
Man sollte sich auch überlegen, ob es ratsam ist, eine knapp zwanzig Jahre alte Valkyrie mit nichtmal 20.000 km Laufleistung zu kaufen - immerhin hat sie sich in der Garage über die Jahre hinweg mehr die Räder eckig gestanden als dass sie frischen Fahrtwind geatmet hat. Den Rädern dürfte das noch egal sein, aber die Reifen sind hinüber und sämtliche Dichtungen und Schläuche dürften längst das Zeitliche gesegnet haben. Es spricht nix dagegen, sich auch ne' Valkyrie mit hunderttausend Kilometern auf'm Tacho zuzulegen, entsprechende Wartung vorausgesetzt. In den USA fahren Teile, die schon 500.000 Meilen (mit dem Originalmotor) hinter sich haben.
Das Fazit für alle suchenden "Nichtschrauber" lautet aus unserer Sicht also:
Berücksichtigt man dies, wird man rund acht bis zehn Mille über'n Tresen schieben dürfen - dafür wird man dann mit einem zeitlos klassischen Mopped mit viel Stil und Charakter belohnt, an dem man extrem viel Freude haben wird.
Angenehmer Nebeneffekt: Auch der Wertverlust wird sich in Grenzen halten, denn Valkyrien werden ja nicht mehr, sondern im Laufe der Zeit eher weniger. Es wurden von 1997-2004 nur ca. 50.000 Stück gebaut, davon ca. 7.000 für die Märkte außerhalb der USA. Derzeit (Stand Mai 2018) gibt es in Deutschland nur noch rund eintausend zugelassene Valkyrien (insgesamt, also originale deutsche sowie europäische und amerikanische Importmodelle).
Eine Honda F6C Valkyrie
muss man nicht fahren,
man will sie fahren...
Querliegender, flüssigkeitsgekühlter 6 Zylinder-Viertakt Boxermotor
Kardanantrieb
Hubraum 1520 ccm
Motorleistung 72 kW / 98 PS
Höchstgeschwindigkeit 210 km/h
Beschleunigung von 0 auf 100 in 3,7 sec.
Max. Drehmoment 130 Nm bei 5000 U/min
Länge 2525 mm
Breite 980 mm
Höhe 1185 mm
Radstand 1690 mm
Sitzhöhe 740 mm
Bodenfreiheit 155 mm
Leergewicht 334 kg
zulässiges Gesamtgewicht 529 kg
Tankinhalt 20 ltr (davon 4,3 ltr Reserve)
Radaufhängung vorne: Upsidedown-Gabel, 110 mm Federweg
Radaufhängung hinten: Schwinge,
2 Federbeine, 120 mm Federweg
Felgengröße vorne 3.50 × 17
Felgengröße hinten 5.50 × 16
Reifengröße vorne 150/80 R17 72H
Reifengröße hinten 180/70 R16 77H
Bremse vorne: Doppelscheibenbremse Zweikolben-Schwimmsattel, Ø 296 mm
Bremse hinten: Einscheibenbremse Zweikolben-Schwimmsattel, Ø 316 mm