Home > Touren & Treffen > Frankreich > Elsass
Die Einladung klang so verlockend, dass ich sie einfach nicht ablehnen konnte. O-Ton: "Ich bin hier gerade zur Kur, komm' doch mal runter in den Schwarzwald. Ich bezahl' den Sprit für den Motorradfahrer - also das Bier - und das Hotel..."
Zuerst besorgte ich mir den Motorrad-Reiseführer "Fun-Tours Elsass" von Jürgen Thurner und überlegte mir dann, wie ich denn fahren sollte, verwarf aber auch gleich wieder mehrere Routen, denn es kommt doch eh' immer anders als man plant. Dieses Mal würde ich alleine fahren, da meine Sozia freitags noch arbeiten mußte.
Ähnlich wie bei meinem Iron Butt merkte ich mir schließlich einige Eckpunkte, startete meine BMW in Köln um acht Uhr morgens und fuhr dann einfach drauflos. Da ich die Motorradstrecken in der Eifel so gut wie auswendig kenne und ich diesmal gerne auch einen kurzen Abstecher ins Elsaß mit einbeziehen wollte, entschied ich mich für die Autobahn bis nach Strasbourg, um möglichst schnell ins Zielgebiet zu kommen.
Von der BAB-Fahrt gibt's nicht viel zu berichten; außer, dass ich an der Raststätte Brohltal an der A 61 dachte: Mann, was haben die hier freizügige Tankwarte. Bei weiterem Hinsehen stellte sich aber raus, dass es wohl nur eine Dame aus dem horizontalen Gewerbe war, die ihrem osteuropäischen "Manager" die Scheiben des Autos putzte...
In Strasbourg beendete ich endlich die unsägliche Autobahngurkerei und fuhr über eine einsame Landstraße (D 20) mehr oder weniger am Rhein entlang in Richtung Colmar. Zeitweise war ich über mehrere Kilometer hinweg der einzige Mensch auf der Straße und ich dachte schon, ich hätte eine Sperrung übersehen. Aber es war einfach nur schön leer und das Touren durch den langsam einsetzenden "Indian Summer" machte einfach nur Spaß.
Kurz vor Colmar wollte ich mir eigentlich in Marckolsheim das Maginot-Denkmal anschauen, doch mich beschäftigten zwei andere, wesentlich elementarere Dinge.
Erstens: Ich hatte kaum noch Sprit im Tank und es gab in den Dörfern, durch die ich kam, auf einmal keine Tankstellen mehr. Es war wie verhext; einige Kilometer zuvor Tankstellen an jeder Ecke und plötzlich nix mehr. Unterwegs kam ich immer mal wieder an Straßenschildern vorbei, die den Zusatz trugen "Sauf Service" - ja, mein Mopped wollte saufen, aber es gab keinen Service.
Irgendwann hatte ich dann auch den "point of no return" überschritten, d.h. mir wurde klar, dass ein Umkehren zur letzten Tankstelle definitiv nicht mehr möglich war - jedenfalls nicht ohne Schieben. Oder wie will man mit ein paar Brocken Französisch per Handy einer französischen Taxizentrale erklären, wo man steht und was man gerade dringend braucht? Also hieß es, mit Herzklopfen, Hoffen und Bangen weiter zu fahren. Es klappte zum Glück mit dem letzten, wirklich allerletzten Tropfen.
Das zweite Ereignis, dass mich davon abhielt, die alten Sherman-Panzer zu besichtigen, war der Tacho meines Reisetourers: Die gute alte BMW stand unmittelbar davor, die 111.111 Kilometer zu schaffen und es galt natürlich, dieses historische Ereignis fotomäßig für die Nachwelt festzuhalten. Klar, die Kilometerleistung ist für einen fliegenden Ziegelstein noch nix Weltbewegendes, aber trotzdem: 6 Einsen auf dem Tacho zu haben, ist eine Bemerkung und ein Foto wert.
Gar nicht so einfach, genau innerhalb dieses einen denkwürdigen Kilometers auf einer französischen Bundesstraße ohne Seitenstreifen anzuhalten, bloß um seinen Tacho zu fotografieren. Beim ständigen Beobachten des Tachostandes mit dem einen Auge und der gleichzeitigen Suche nach einem bisschen befahrbaren Randstreifen mit dem anderen Auge habe ich dann die Abzweigung zum Maginot-Denkmal verpaßt. C'est la vie.
Nachdem sich Bangen und Freude abgewechselt hatten, konnte ich gutgelaunt nach Colmar fahren. Direkt am Eingang der alten Kathedrale fand ich einen Parkplatz und war erstmal platt wegen der vielen bunten und schiefen Häuschen.
Das ganze Altstadtviertel (Petite Venise - Klein Venedig) kam mir vor wie ein künstliches Disneyland. Alles wirkte schon fast unnatürlich, aber es war tatsächlich echt. Und es roch überall verführerisch nach Essen & Trinken. Um es vorwegzunehmen: Hier in Colmar hätte ich meinen ersten Tag beenden und erst am nächsten Tag die Tour fortsetzen sollen. Die Gegend um Colmar ist einfach viel zu schön und es gibt so viel zu entdecken.
Colmar liegt an der Elsässer Weinstraße und da sollte man an sich die Gelegenheit nutzen, einen guten edlen Tropfen zu probieren. Leider ging das nicht, da ich ja noch weiter wollte. Aber die gute K 100 RT hat ja zwei große Koffer und, um das Gleichgewicht wieder herzustellen, habe ich sie gleich rechts und links jeweils mit einer Gourmetkiste aufgefüllt.
In Colmar erfuhr ich übrigens noch am Rande, dass dies der Geburtsort des Bildhauers Frédéric-Auguste Bartholdi war. Datt' alleine sagte mir aber nix. Sein wichtigstes Werk war jedenfalls die Bartholdi-Statue, oder besser - und mir auch - bekannt als die Statue of Liberty (Freiheitsstatue). Eine kleine Kopie dieser Statue steht dann auch noch in Colmar. Naja, hätte es damals schon K 100 RTs gegeben, hätte Bartholdi wohl eher einen "Flying Brick" in Stein gehauen und verewigt; verdient hätte sie es alle Male.
Nach einem vorzüglichen Mittagessen im "du Marché" in Colmar am Place de la Cathédrale fuhr ich über die Rheinbrücke bei Neuf-Brisach zurück nach Deutschland. Ist schon komisch, aber in Froonkraisch hört sich alles viel schöner an - der wohlklingende Place de la Cathédrale ist in Köln banal die Domplatte und aus dem "du Marché" würde bei uns die schlichte Marktschänke - aber was soll's. Die Überquerung der Rheinbrücke dauerte jedenfalls auf Grund einer Großbaustelle eine gute Viertelstunde - Zeit genug, um sich an der fast türkisblauen Farbe des Rheins satt zu sehen. Im Vergleich dazu sieht der Rhein bei Köln wie ein Jauchebecken aus.
Dann kam Freiburg, die Stadt mit den angeblich meisten Sonnenstunden Deutschlands. Ich durchquerte sie zügig in Richtung Donaueschingen, um auf den Spuren eines ehemaligen Maultierpfades, der heutigen gut ausgebauten Bundesstraße 31, ins Höllental mit dem Hirschsprung zu kommen. Einer Sage nach soll da ein Hirsch auf der Flucht vor einem Jäger die damals 9 m breite Schlucht unverletzt übersprungen haben. Die Stelle ist mit einem großen Hirsch aus Bronze unübersehbar markiert - das dumme Gesicht des Jägers ist jedoch nicht überliefert.
Es war jetzt gegen 18.00 Uhr und im Höllental setzten plötzlich Höllenqualen ein: Ich hatte von einer Minute zur anderen keinen Bock mehr auf's Motorradfahren. Die knapp 750 km bis dahin forderten gnadenlos ihren Tribut. Das erinnerte mich an meinen "Eisernen Hintern" vor zwei Monaten - Krämpfe in der rechten Hand und das Gefühl, sich die Kronjuwelen schon plattgesessen zu haben. Ausserdem wurde es in den Tälern schon recht schattig und unangenehm kühl.
Leider lagen aber noch knapp 80 km bis zum geplanten Hotel in Bad Dürrheim vor mir. Die möglichen Sehenswürdigkeiten und das reichhaltige Kurvenangebot der Strecke nahm ich daher kaum noch zur Kenntnis, als ich in einem Gewaltritt am Titisee, Neustadt und Donaueschingen vorbeibretterte, um mich dann endlich in der Kurstadt Bad Dürrheim mühselig vom Mopped zu wuchten. Gebucht hatte mein Bekannter für mich ein Zimmer in der Pension "Zur Traube".
Die Pension im umgebauten Bauernhof ist für Motorradfahrer durchaus empfehlenswert (Übernachtung mit kleinem Frühstück für 30 Euro, überdachte Stellplätze und ggf. auch abschließbare Halle). Bad Dürrheim selbst hat aber ansonsten nicht allzuviel zu bieten, es sei denn, man ist wegen einer Kur dort. Ich habe auf der Durchfahrt noch nie so viele Reha- und Kurkliniken auf einem Haufen gesehen wie in Dürrheim. Das "gefühlte Durchschnittsalter" von Gästen und Einwohnern lag irgendwo jenseits von 75 Jahren. Naja, mir war's für diesen einen Abend egal.
Als mein Bekannter mich zum abendlichen Zechen abholen wollte, muss er wohl unbewußt gedacht haben, dass er mich erstmal aufmuntern müsse, denn er veranstaltete auf dem Parkplatz eine unfreiwillige Comedyeinlage à la Frauenparken: Er übersah beim Wenden mit seinem X3 eine Steinkante und den dahinterliegenden Abhang. Es krachte ziemlich häßlich und der tolle Geländewagen hing vorne rechts in der Luft und mit der Bodengruppe auf der Steinkante. Es bedurfte der Hilfe eines Gabelstaplers und eines Traktors, um das Auto wieder hochzuheben und auf den Parkplatz zu schieben. Glück im Unglück: Der BMW hat den Absturz tatsächlich unbeschadet überstanden.
Grund genug, jetzt erst recht im "Salzstüble" einen zu bechern. Das Pub ist übrigens eine der letzten, wenn nicht sogar die letzte Kneipe in Bad Dürrheim, wo man noch rauchen darf (naja, das war zumindest 2009 noch so). Das "Salzstüble" hat ein nettes, rustikales Ambiente mit einem Sammelsurium an Straßenschildern und sonstigen "nützlichen" Gegenständen aus aller Welt und, last but not least, nette und top-aufmerksame Bedienungen. Wer noch, political incorrect, zu den Rauchern gehört, Bier vom Faß bevorzugt und sich nach Bad Dürrheim verfahren hat, sollte da mal einkehren.
Am nächsten Mittag stand die Entscheidung an, mal bis zum Bodensee zu touren oder nach Hause zu fahren. Ich entschied mich für Zuhause. Die 850 km vom Vortag steckten noch in den Knochen und nach Hause war's ja auch noch einiges und am nächsten Tag wollten wir ja zum Eifelrennen auf dem Nürburgring.
Also ging's auf kürzestem Wege, d.h. über die Autobahnen zurück nach Köln.
Reisetourer's Fazit:
Die Gegend um Colmar ist traumhaft und die Gegend um das Höllental ist traumhaft, aber jedes Gebiet ist eine eigene Anfahrt wert.