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Pünktlich zum Tourstart am 1. September 2012 klarte der Himmel auf und die Sonne strahlte – und es blieb so bis zur Rückkehr. Um acht Uhr morgens trafen an der Westfalen-Tankstelle in Köln-Bocklemünd die ersten Teilnehmer der diesjährigen Normandie-Tour zusammen:
Ein Pärchen mit ihrer BMW R 1200 RT, Claudia mit ihrer Kawasaki EN 500 sowie wir mit der Yamaha FJR 1300 A. Die weiteren Teilnehmer würden wir erst am Etappenziel in Rouen treffen, da sie aus dem Saarland bzw. aus Hessen anreisten und sie sich den Umweg über Köln sparen wollten.
Nach dem obligatorischen Tanken und einem letzten Kaffee ging es dann los in Richtung Westen. Da die Anfahrt keine motorradfahrerischen Highlights bot und wir zügig in Rouen sein wollten, wählten wir die Autobahnen bis ins französische Cambrai. Von da aus fuhren wir über Landstraßen via Amiens in die Hafenstadt Rouen.
Den Abend und den nächsten Tag nutzten wir, um uns die Altstadt von Rouen anzuschauen. Wir haben sie nicht gezählt, aber es soll dort noch über zweitausend erhaltene Fachwerkhäuser geben. Darüber hinaus gibt es dort noch eine imposante Kathedrale, den Uhrenturm Gros Horloge und am Marktplatz die Hinrichtungsstätte von Jeanne d'Arc zu besichtigen. Selbst McDonalds ist in einem historischen Fachwerkhaus untergebracht.
Statt Fastfood haben wir - Helene und ich - uns jedoch am Morgen auf dem Markt ein Baguette und einen Camembert gekauft, dort in der Sonne gefrühstückt und uns die Leute angeguckt...
Nach diesem Sightseeing- und Ruhetag ging es dann am dritten Morgen weiter in Richtung Westen. Dass Rouen schon eine ziemlich große Stadt ist, merkten wir am Berufsverkehr, der uns eine ganze Zeit aufhielt. Erst nach einer knappen halben Stunde waren wir endgültig aus dem Einzugsgebiet der Hafenstadt raus und gelangten zu den weiten Feldern und Wiesen im Hinterland.
Wer in die Normandie fährt, sollte nicht mit Bergen rechnen, aber die Normandie bietet ebenfalls anspruchsvolle Kurvenstrecken auf kleinen und kleinsten Straßen. Abseits der bekannten Verkehrswege kann man wahre Motorradparadiese entdecken.
Während es für Michael & Keka am Nachmittag ein paar Kurven zu viel wurden und sie gerne zum Ausgleich ein paar Kilometer geradeaus gefahren wären, stellte ein anderer Teilnehmer allerdings enttäuscht fest, dass das ganze ja so gar nicht mit den Alpen vergleichbar wäre. Hä? Hatte er ernsthaft im hohen Norden Frankreichs mit Alpenpässen gerechnet?
Dabei ist gerade das Département Orne in der Basse Normandie ein wahres Motorrad-Eldorado. Man fährt quasi stundenlang ohne Gegenverkehr in ständig abwechselnden Rechts-Links-Passagen an Viehweiden vorbei und durch dichte grüne Wälder.
Die erstaunten Blicke und das freundliche Grüßen der Landwirte zeigte, dass dort nicht alle Tage Motorradreisende entlang kommen. Das Département Orne ist knapp sechsmal so groß wie die Eifel und hat noch nicht mal halb so viele Einwohner pro km² - kein Wunder, dass es dort menschen- und autoleer ist. Auch ohne hohe Berge macht das Fahren dort großen Spaß.
Mittags machten wir eine Pause in der Käserei Durand, am Ortsrand von Camembert. Für fünf Euro bekommt man dort einen Käseteller mit verschiedenen Sorten und kann diese natürlich anschließend im Hofladen auch kaufen.
Wer Käse mag, sollte dies unbedingt machen, wenn man mal in der Gegend ist. Die Familie Durand stellt den Camembert nach wie vor auf traditionelle Weise her - man kann es schmecken.
Am späten Nachmittag erreichten wir unser Etappenziel St. Quentin-sur-le-Homme und das Hotel "Le Gué de Holme". Das Hotel ist sehr schön und ruhig gelegen. Nach dem Check-In fuhren wir noch gemeinsam ins knapp fünf Kilometer entfernte Avranches. Die quirlige Stadt bietet zahlreiche Restaurants, Brasserien und Bars – dort war für jeden etwas zu finden.
Zum Sonnenuntergang sind wir dann noch zum zwanzig Kilometer entfernten Mont St. Michel gefahren. Allerdings ging die Sonne ausgerechnet hinter ein paar Wolken unter und das an sich spektakuläre Lichtspektakel blieb uns verwehrt. Imposant und beeindruckend ist die Felseninsel aber allemal...
Mit St. Quentin-sur-le-Homme hatten wir den westlichsten Punkt unserer Reise in die Normandie erreicht, ab jetzt ging es zunächst nordwärts, die Küste der Halbinsel Cotentin entlang.
Natürlich wählten wir für diese Strecke die kleinen Küstenstraßen von Hafen zu Hafen aus. Michael & Keka zogen es jedoch ab Granville vor, auf den Nationalstraßen zügig nach Cherbourg zu fahren und dort auf uns zu warten.
Wir brauchten etwas länger, denn unterwegs fanden wir an einem Strand noch einen Katzenhai - den mußten wir erstmal beerdigen. Das Département Manche bietet ebenfalls viele "motorradtaugliche" Kleinstraßen in unmittelbarer Küstennähe - man muss schon aufpassen, dass man nicht seekrank wird, denn auf zig Kilometern wechseln sich Rechts- und Linkskurven ab...ein absoluter Traum für Motorradfahrer.
Gegen Mittag erreichten wir ebenfalls Cherbourg und den Yachthafen mit dem Marinemuseum Cité de la Mer. Ich hatte angeboten, dass ich bei den Motorrädern bleiben und die Fahrzeugwache machen würde, damit die anderen das Museum und das Atom-U-Boot besichtigen könnten, doch die Gruppe wollte dann - entgegen der ursprünglichen Absicht - plötzlich doch nicht da rein. Tja, wer nich' will, der hat schon und so fuhren wir nach einer kurzen Kaffeepause nunmehr südwärts, unserem Etappenziel Les Moulins entgegen.
Tipp: Der Besuch der Cité de la Mer ist eigentlich ein absolutes Muss, wenn man in der Gegend ist. Das Museum erzählt nicht nur anschaulich die Geschichte der Unterseeboote, sondern bietet ebenfalls noch eine beeindruckende Titanic-Ausstellung und ein facettenreiches Aquarium. Last, but not least: Wo hat man sonst schonmal die Chance, ein gigantisches Atom-U-Boot zu besichtigen...
Ein paar Kilometer hinter Cherbourg beginnt dann die Region, die im zweiten Weltkrieg Geschichte geschrieben hat:
Die Invasionsstrände der Normandie.
Den Anfang machte (für uns) das Städtchen Ste.-Mère-Église. Dort sind während der Invasion zwei US-Fallschirmjäger am Kirchturm hängengeblieben und sie mußten sich von da an das Geschehen von oben aus anschauen. Für die beiden Soldaten damals gewiß Stunden voller Angst, für die Dorfbewohner natürlich bis heute Gold bzw Geld wert, denn sie setzen bis heute das Ereignis marketingtechnisch gut um.
Heutzutage erinnert eine Soldaten-Puppe mit Fallschirm, die oben am Kirchturm angebracht ist, an dieses Ereignis und natürlich befinden sich direkt neben der Kirche ein Militärmuseum (Dead Man's Corner Airborne Museum) sowie unzählige Souvenirläden.
Vorbei am Utah-Beach erreichten wir dann am Nachmittag unser Etappenziel Les Moulins in St.-Laurent-sur-Mer. Unser Hotel „D-Day House" lag unmittelbar am Omaha-Beach. Florence und Jay-Jay, die Besitzer des kleinen Hotels, kümmerten sich intensiv um unser Wohlbefinden; u.a. war der hoteleigene Pool auf 30 Grad erwärmt worden.
Nach dem Abendessen im Hotel und einigen Calvados-Absackern fielen wir dann müde ins Bett. Der nächste Tag war wieder ein Ruhetag, d.h. jeder konnte und sollte unternehmen, was er mochte.
Zwei zogen es vor, am weitläufigen Strand entlang zu wandern, einer fuhr wieder nach Cherbourg zurück, um sich jetzt doch das Museum und das U-Boot anzusehen und der Rest von uns besuchte in der Umgebung den amerikanischen Soldatenfriedhof in Colleville-sur-Mer, die Hafenstadt Port-en-Bessin und ein Militärmuseum in Arromanches.
Wie gesagt, für uns stand heute der amerikanische Soldatenfriedhof und Arromanches auf dem Programm. Vor Arromanches hatten die Alliierten knapp 48 Stunden nach der Invasion einen künstlichen Hafen ins Meer gebaut, die Überreste kann man noch heute vor der Küste sehen.
Dass man dort ständig mit angelsächsischen Gästen rechnet, sieht man auch beim Essen in den Lokalen.
Man bemüht sich dort, den kulinarischen Gewohnheiten der Gäste gerecht zu werden - Claudia hatte sich ein amerikanisches Schinken-Baguette bestellt und sie bekam: Ein Baguette, bis oben hin gefüllt mit Schinken und Pommes...
Nach diesem ungewöhnlichen Imbiß fuhren Helene und ich wieder zum Hotel zurück, um ein paar Runden im Pool zu genießen. Claudia hat noch den deutschen Soldatenfriedhof im nahegelegenen La Cambe besichtigt.
Am späten Nachmittag trudelten alle nach und nach wieder im Hotel ein. Bis kurz vor Sonnenuntergang saßen wir noch bei einem Gläschen auf der Terasse vor dem Omaha Beach. Während wir alle von unseren Eindrücken erzählten, konnte GS-Michel mit einem kleinen Abenteuer aufwarten:
Er wollte in Cherbourg am Geldautomaten in einer Bank Geld abheben. Der erste Versuch schlug daneben und auch der zweite blieb erfolglos. Als er dann resigniert zum Motorrad zurückging, fehlte ihm plötzlich auch noch der Zündschlüssel. Nachdem er alles vergeblich abgesucht hatte, kam er jedoch nicht auf die eigentlich naheliegende Idee, mal in der Bank nachzufragen.
Stattdessen hatte er den ADAC angerufen und seine persönliche Rettungsmission angeleiert. Er wartete dann knapp zwei Stunden auf den französischen Abschleppwagen und kurz, bevor die Bank geschlossen werden sollte, kam eine Mitarbeiterin heraus und fragte ihn, ob er seinen Schlüssel verloren habe. Kunden hatten diesen zwischenzeitlich am Geldautomaten gefunden und drinnen abgegeben. Hätte er mal drinnen nachgefragt...
Eigentlich selbstverständlich, aber hier nochmal als TIPP (auch für alpenerfahrene GS-Profis): Man sollte auf Reisen stets einen Zweitschlüssel mitführen...
Am nächsten Morgen fuhren wir gegen zehn Uhr wieder los. Tagesziel war das zweihundertfünfzig Kilometer entfernte Dieppe.
Auf dem Weg dahin passierten wir kurz vor Le Havre die spektakuläre Pont de Normandie – eine bogenförmig gebaute Hochbrücke über die Seinemündung, die die Städte Honfleur und Le Havre verbindet. Mit ihren 856 Meter Spannweite ist sie die größte Schrägseilbrücke Europas.
Wir "enterten" sie aus Richtung Westen kommend und erreichten dann zügig Le Havre. Just am höchsten Punkt der Brücke realisierte ich, dass wir so gut wie keinen Tropfen Benzin mehr im Tank hatten - zum Glück ging es aber langgezogen abwärts und wir rollten sozusagen mit dem letzten Tropfen an eine Tankstelle am Stadtrand von Le Havre. Für die, die dieses Schicksal auch mal ereilt: Knapp drei Kilometer nach der Brücke, am "blauen" Stadion vorbei, kommt die erste Tankstelle...
Das Tanken kann in Frankreich abends oder am Wochenende schonmal zum Problem werden - siehe Anmerkung am Ende des Berichtes.
Vollgetankt cruisten wir dann entlang der Küste zu den spektakulären Kreidefelsen von Étretat. Natürlich hielten wir unten in der Bucht für eine Kaffeepause und die obligatorischen Fotos.
Am frühen Abend erreichten dann die übrigen Teilnehmer den nordöstlichen Zipfel der Normandie, unser Etappenziel in Dieppe. Dieppe liegt in einer weitläufigen Bucht und ist von weißen Alabasterfelsen eingerahmt.
Unser Hotel „Les Arcades" lag direkt am Yachthafen und wir hatten allesamt Zimmer mit Blick auf die vor Anker liegenden Boote – hoteltechnisch gesehen ein schöner Abschluß unserer Normandiereise.
Das feine Hotel gehört Karine & Matthieu Leducq. Wenn er Zeit hat und man seinen Motorradbesuch rechtzeitig vorher ankündigt, steht Matthieu, der selber eine R 1150 RT (mit abgeschliffenen Zylindern) fährt, gerne als Tourguide zur Verfügung. Leider hatten wir dieses Mal keine Zeit für eine Runde "Zylinderschleifen" durchs Hinterland von Dieppe.
Nach dem Check-In und einem anschließenden Pastis in einem typischen Straßencafé meldete sich natürlich der Hunger. Direkt am Yachthafen befinden sich auch unzählige Fischrestaurants und man hat die
Qual der Wahl.
Wir wählten für dieses Mal das „Louisiana" und Helene & ich dort eine gigantische Seafoodplatte für zwei, die in einem eisgefüllten Boot aus Styropor serviert wurde. Schön anzusehen und sehr lecker – meint zumindest Helene (bei mir hört der maritime Gourmetlevel irgendwo bei Fischstäbchen auf). Mit knapp 50 Euro war sie auch nicht zu teuer, wenn man bedenkt, dass es neben allerlei Meeresfrüchten auch ein Dutzend frischer Austern und sogar einen halben Hummer gab.
Nach dem obligatorischen Calvados mit Würfelzucker ging es dann ab ins Hotel.
Am nächsten Morgen fuhren wir dann wieder heimwärts. Ein kleines Stück cruisten wir noch entlang der Küste, aber bei Le Tréport mussten wir wieder ins Landesinnere abbiegen und ab da begann wieder das „Route 66-Feeling" - langgezogene Landstraßen, soweit das Auge reicht. Harley-Piloten und Goldwing-Kapitäne kämen hier voll auf ihre Kosten.
Kurz vor Liège (Lüttich) trennten wir uns von Michael & Keka. Sie wollten dort noch eine Übernachtung einlegen, bevor sie zurück in ihre hessische Heimat fuhren. Die beiden übergaben uns dort noch eine großzügige Spende für unsere diesjährigen Charity-Projekte. Vielen, vielen Dank dafür!
Ein Lob geht noch an YAMAHA Deutschland:Die FJR 1300 A, die man uns für diese Reise zur Verfügung gestellt hat, hat uns eine Menge Spaß bereitet; sie war genau das richtige Motorrad dafür. Wer mehr über diesen gelungenen Sporttourer erfahren möchte, kann dies hier nachlesen:
Hotel "D-Day House" in Les Moulins
Hotel "Le Gué de Holme" in St.-Quentin-sur-le-Homme
Reisecruiser's "Frankreich-Special" - Tools zur Reiseplanung